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Virtuelle Realität: Potenziale für den Mittelstand

„Die Gefühle, die mittels einer Situation in der Virtuellen Realität hervorgerufen werden, sind so intensiv, als erlebe man es in der Realität“, sagt Maren Courage. Sie ist eine der Gründerinnen des VR Business Clubs, der zusammen mit der Internetagentur SinnerSchrader AG und der Mittelstand 4.0-Agentur Kommunikation zum VR Business Club nach Frankfurt am Main eingeladen hatte. „Wenn ich Leute mit Datenbrille, die vollkommen in die virtuelle Realität eingetaucht sind, über ein schwebendes Seil laufen lasse, trauen sich die meisten trotzdem nicht loszugehen, obwohl sie wissen, dass sie in der Realität gerade mit zwei Füßen auf dem Teppich stehen.“

Ziel der Veranstaltung war es, Anbieter und potenzielle gewerbliche Nutzer von Virtueller Realität (VR), Erweiterter Realität (Augmented Reality, AR) und Vermischter Realität (Mixed Reality) zu vernetzen. Es sollten möglichst viele Anwendungsszenarien gezeigt und gemeinsam entwickelt werden. Klar wurde, dass die virtuellen Möglichkeiten die Fabriken und Büros, also die meisten Arbeitsplätze verändern werden.

„Wann kann ich mich schon mal unter einen Roboterarm legen und schauen, was dort genau passiert?“, fragte Daniel Wolff. Damit wollte der Leiter der inpro Innovationsgesellschaft für fortgeschrittene Produktionssysteme in der Fahrzeugindustrie mbH während seines Vortrags verdeutlichen, welches Potenzial die Planung von Fabriken mit Hilfe von Virtueller Realität (VR) birgt.

VR und AR in der Schulung

Auch bei Schulung von Mitarbeitern könne das Eintauchen in die potenzielle Arbeitsumgebung hilfreich sein: „Was passiert, wenn ich ein bestimmtes Teil fallen lasse, das jedes Mal 500 Euro kostet? Oder bei gefährlichen Tätigkeiten: Man kann Warnen, was passiert, wenn ich den Kran nicht sicher genug aufstelle. Aber wenn ich einmal in der Virtuellen Situation erlebe, wie es ist, wenn der Kran umfällt, ruft das Gefühle hervor, die mich hinterher nicht mehr leichtsinnig handeln lassen“, sagt Daniel Wolff.

Bildergalerie: 

Möglichkeiten der Fernwartung

Nicht gleich komplett in die Virtuelle Realität eintauchen möchten viele Mittelständler. Diese können aber beispielsweise Serviceleistungen beschleunigen, vereinfachen, kundenfreundlicher gestalten, wenn sie Wartungsleistungen per Erweiterter Realität auch aus der Ferne erbringen können. Der Technikexperte in der Zentrale sieht auf seinem Bildschirm die vor Ort gefilmte Situation und gibt dem Kollegen aus der Ferne Hinweise, welche Schritte er in Detail ausführen soll.

Wartung 4.0: Die Mittelstand 4.0-Agentur Prozesse hat die Broschüre „Digitale Wartung und Instandhaltung – Grundlagen und Anwendungsbeispiele“ veröffentlicht: http://www.prozesse-mittelstand.digital/images/PDF/Broschuere_Digitale_Wartung_und_Instandhaltung.pdf

Zukunft der Ausbildung

Die rund 30 Teilnehmer aus den Branchen Steuerberatung, Rechtsanwälte, Feinoptiker, Elektrotechnik, Industrie, VR/AR-Anbieter, Weiterbildung, Buchhandel, Handwerk, Sondermaschinenbau, Automotive, Kommunikation, Software diskutierten zu Abschluss, welche Auswirkungen VR- und AR-Anwendungen auf die künftige Ausbildung haben könnte.

Folgende Technologien konnten die Teilnehmer ausprobieren:

1. Nils und Sven Arnold, Gründer der Adtance GmbH & Co. KG mit Sitz in Wald-Michelbach im Odenwald stellten Augmentend Reality-Support-Lösungen mit Smartphones, Smartglasses und  Augmented Reality-Brillen vor.

2. Die Inhaber Philip Hausmeier und Carl White von „Meshicon“ aus Berlin stellten Anwendungen mit der HoloLens von Microsoft vor.

3. Der Leipziger PC-Hersteller Schenker Technologies GmbH stellte ein VR-Kundenprojekt mit der Datenbrille für die Automobilindustrie vor.

Die Initiatoren

„Industrie, Handel und Verwaltung stehen in Zukunft vor einer tief greifenden Transformation entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Auch im Mittelstand greift der Wandel und es werden bereits vielfältige Anwendungen mit VR- und AR-Technologien produziert,“ sagt VR Business Club Gründerin Maren Courage.

Zusammen mit Oliver Autumn hat sie das Netzwerk gegründet. Warum? „Noch befinden sich die Technologien der Virtuellen Realität (VR) und der erweiterten Realität (AR) in Deutschland in den Anfängen, allerdings nimmt das Thema in der deutschen Wirtschaft immer mehr an Fahrt auf“ sagt Oliver Autumn.

VR- und AR-Potenzial ermittelt und dargestellt von Goldman Sachs Research:

VR

Bis 2025 werden sich VR-Angebote verdreißigfachen

Noch stecken die Technologien der Virtuellen Realität (VR) und der erweiterten Realität (Augmented Reality (AR)) in den Kinder­schuhen. Laut einer Schätzung der Investmentbank Goldman-Sachs soll das jährliche Produktionsvolumen von VR- und AR-Inhalten bis zum Jahr 2025 von derzeit knapp 3 Milliarden auf mehr als 80 Milliarden Dollar steigen. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 betrug das Produktionsvolumen noch fast null. Es lohnt sich für kleine und mittelständische Unternehmen, sich jetzt mit den Anwendungsmöglichkeiten der Technologie zu befassen.

Design, Qualitätssicherung, Simula­tionen, Sicherheits­checks, Live-Überprüfungen von Bauprojekten, Wartungen, Schulungen, Wohnungsbesichtigungen, Maschinenbau – das sind nur einige Gebiete, in denen Virtuelle/Erweiterte Realität-Lösungen schon heute – außerhalb klassischen Entertainments, zum Beispiel Videospielen – eingesetzt werden. Im Gegensatz zur virtuellen Realität, bei welcher der Benutzer komplett – zum Beispiel mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille – in eine virtuelle Welt eintaucht, steht bei der erweiterten Realität die Darstellung zusätzlicher Informationen im Vordergrund. Im einfachsten Fall kann das die Einblendung von computergenerierten Zusatzinformationen in Bildern oder Videos sein.

Welches Potenzial VR und AR in den kommenden Jah­ren entfalten könnten, war auf der Internationalen Konferenz für Animation, Effekte, Games und digitale Medien FMX in Stuttgart zu sehen. So ist es möglich, täuschend echt digital 3D-animierte Automobilmodelle in den virtuellen oder virtuell erweiterten Raum zu integrieren. Firmen wie Audi, Renault oder McLaren stellten ihre VR-Applika­tio­nen vor. Besonders beeindrucken konnte die VR-Appli­ka­tion von Jaguar. Mit Hilfe des neuen Headsets wurde ein Gruppenerlebnis für 66 Personen in einem virtuellen Raum geschaffen und somit die Möglichkeit, um räumlich voneinander getrennte Personen zusammen zu bringen.

Steve Sullivan von Microsoft zeigte, wie reale Personen und Gegen­stän­de in den digital erweiterten Raum integriert werden können. Dies ist mit Hilfe eines Green Screens und Fotogrammmetrie möglich. So können 3D-Modelle von reellen Gegenständen in den virtuellen Raum integriert werden. Barrieren der Erstellung von virtuellen Inhalten, beispielsweise bei der Filmproduktion, sollen dadurch wegfallen.

Großer Lernbedarf zum Thema VR und AR

So bahnbrechend die Durchführungen von VR Gruppenerlebnissen auch sein mö­gen, so sind sie noch längst nicht vollständig ausgereift. Interagierende Per­sonen können in virtuellen Räumen bisweilen nur schemenhaft dargestellt werden, wie Daryl Atkins von Rewind darlegte. Zudem sei es laut Atkins noch nicht zu ge­währ­leisten, dass die jeweiligen VR Nutzer verbal untereinander im virtuellen Raum kommunizieren können. Eine alternative Lösung von VR-Erlebnissen für Perso­nengruppen ohne die Nutzung klassischer Headsets bie­tet der „Fieldtrip to Mars“ der Firma Framestone. Hier wurde ein Schulbus präpariert mit modernen Bildschirmen anstelle von Fenstern. Die Insassen konn­ten da­durch gemeinsam einen digitalen Trip über den Mars erleben. Währenddessen fuhr der Bus durch die Straßen New Yorks.

Diese Technik könnte eine vorzeitige Lösung für VR-Gruppenerlebnisse dar­stel­len, denn weiterhin haben auch die modernsten VR-Headsets Probleme mit der Langzeitnutzung aufgrund der Unhandlichkeit der Geräte und dem nach und nach auftretenden Übelkeitsgefühl (sogenannte Motion Sickness) bei Nutzern. Außerdem sind die Eindrücke von Anwen­dern in digitalen Welten, ähnlich wie bei der Wahrnehmung der realen Welt, äußerst verschieden.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Prof. Dr. Matthias Wölfel von der Hochschule Furtwangen präsentierte seine Forschungsergebnisse rund um das Thema Atmosphäre in VR. Eine Erkenntnis daraus war, dass sich bei der Wahrnehmung von VR-Inhalten drastische Unterschiede zwischen den Ge­schlech­tern zeigen, beispielsweise im Hinblick auf Farbe und Fokusbereiche. Die Ursachen dafür müssten zwar noch erforscht werden, dennoch sei das Wissen um diese Faktoren bereits wichtig für jeden, der sich ernsthaft mit der Erstellung von VR-Erlebnissen befasst.

Storytelling in der Virtuellen Realität

Weiterhin stellt die neue Form des Storytelling innerhalb von VR eine Hürde dar. Zwar gibt es erste Ansätze für neue Handlungsstränge, wie Chris O`Reilly von Nexus Studios ausführte, jedoch ist noch kein einheit­liches Konzept für übergreifende VR-Storylines vorhanden.

Auch bei Augmented Reality-Technologien, wie der Hololens, gebe es weiterhin Verbesserungsbedarf. So ist es notwendig die digitalen Erweiterungen in reale Geometrie zu überführen, damit diese im realen Raum exakt platziert dargestellt werden können.

Bislang ist es schwierig, dass Anwender von AR-Technologien auf ihren Bildschir­men die jeweiligen digitalen Erweiterungen anderer Nutzer sehen können. Eine mögliche Lösung für diese Probleme stellte Edward Miller von Scape Technolo­gies vor. Mithilfe von frei zugänglichen Fotos, sowie Videos öffentlicher Räume, werden 3D-Animationen erstellt, welche dem Nutzer über eine Cloud zur Verfü­gung gestellt werden. Damit wäre die Erstellung großangelegter begehbarer AR-Erlebnisse möglich.