Führung 4.0

Führung 4.0: Spaß oder Schmerz?

Das Thema Digitalisierung der Wirtschaft ist extrem präsent. Viele Unternehmer sind eher genervt von dieser 4.0-Omnipräsenz. Das Interessante dabei: Wenn wir dann nach Beispielen suchen, wo wir Digitalisierung 4.0 in Unternehmen beispielhaft umgesetzt finden, dann wird das Eis schon deutlich dünner.

Und wenn es darum geht, konkrete digitale Strukturen und Prozesse für den eigenen Betrieb zu skizzieren, dann steht oft ein großes Fragezeichen im Raum.

Die Schere zwischen gefühlter Themenpräsenz und greifbarer Umsetzung scheint noch weit offen, gerade im deutschen Mittelstand.
Dieses Phänomen hat sicherlich auch betriebswirtschaftlich-rationale Aspekte. Unternehmen benötigen Know-how, personelle und technologische Ressourcen, die für KMU oft kaum erschwinglich sind. Auch Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit spielen eine essenzielle Rolle. Nicht zuletzt sind es auch die vollen Auftragsbücher, die das Management an der Entwicklung von Innovationen hindern. Die Wirtschaft in Deutschland brummt, die Auslastung ist hervorragend. Auch ohne 4.0.

Von Digitalisierungswellen und computerfreien Inseln

Soweit zu den ökonomischen Gründen der Zurückhaltung. Zugleich geht es aber immer auch um die Persönlichkeit des Unternehmers.

Die Digitalisierung wird von mittelständischen Unternehmern vielfach als Welle erfahren, die über ganze Belegschaften hereinbricht und sie mit Wucht überrollt.

Dabei fallen die Reaktionen durchaus unterschiedlich aus: Während einige fast willenlos hin und her geschleudert werden, tauchen andere begeistert in den Strudel der technologischen Möglichkeiten ein; während es mancher Führungskraft gelingt, die Welle der Digitalisierung geschickt zu reiten, retten sich andere erschrocken auf computerfreie Inseln und verharren im Warten auf Rettung.
Unbestreitbar bleibt, dass Management in Zeiten des digitalen Wandels voraussetzt, auch bei hohem Wellengang und Sturm Kurs zu halten. Führungspersönlichkeiten müssen mit wechselnden Arbeitsbelastungen ebenso souverän umgehen können wie mit divergierenden Mitarbeiterreaktionen.

Einsames Entscheiden ist in solchen Kontexten unangebracht.

Außerdem wollen viele Unternehmer zu viel auf einmal und verfallen entweder in blinden Aktionismus oder Schockstarre. Aber wie, bitteschön, soll es denn gehen? Gute Ratschläge für Unternehmer gibt es reichlich. Viele davon tragen eher zu noch mehr Verwirrung bei.

Aus meiner Sicht sind zwei Dinge wesentlich: Die eigene Orientierung und die Kommunikation.

Zur eigenen Orientierung ist meiner Meinung nach das Stellen einfacher Fragen wichtiger als das Studieren komplexer Führungsmodelle. Solche Fragen sind beispielsweise:

  • Was benötige ich für die ersten Schritte und was kann dazu investiert werden?
  • Wer oder was steht mir  zur Verfügung?
  • Aber auch: Wo drohen Überlastungen, bei mir persönlich, bei meinen Mitarbeitern, bei meinen Kunden und Lieferanten?

Diese Fragen klingen banal. Aber sie haben es in sich. Aber vor allem können die Antworten darauf eine tolle Dynamik im Betrieb entfalten. Digitalisierung macht nämlich eigentlich Spaß!

Ohne Kommittment keine Digitalisierung

Mit der Kommunikation ist es ähnlich. Nicht jeder Mitarbeiter muss sich mit allen Aspekten des digitalen Wandels beschäftigen. Aber ohne das Kommittment der Gesamtbelegschaft gelingt der digitale Wandel nicht. Dabei genügen weder Leitlinien noch wirtschaftliche Kalkulationen.

Benötigt wird eine gemeinsame Geschichte, die sehr einfach erzählt wird. Eine Geschichte zu den Zielen und Chancen, aber auch zu den Herausforderungen und Belastungen der digitalen Veränderung.

Und jeder Einwand verdient es, ernst genommen zu werden. Gegenargumente sollten bewusst eingeplant werden. Sie haben ihre Berechtigung. Meine Erfahrung ist, dass Transparenz und ein konstruktiver Umgang mit Kritik Widerstände verringert.
Und hier wird es für den Unternehmer erst richtig interessant: Er muss unter Umständen sein Führungsverhalten überdenken. Eventuell braucht er selbst Unterstützung in Bereichen, die vorher nicht so deutlich waren. Vielleicht muss er auf jüngere Mitarbeiter intensiver hören als früher. Neue Kompetenzen müssen aufgebaut werden, teilweise mit skurrilen Bezeichnungen wir „Digital Transformation Manager“. Die eigenverantwortliche Selbststeuerung der Mitarbeiter wird immer wichtiger.
Nicht jede Führungskraft mag das für sich selbst akzeptieren.

Denn es bedeutet loslassen. Und wer von uns lässt schon gerne los?

Aber es hilft nichts. Vernetzte Kollaboration 4.0 betrifft nicht nur Maschinen. Sie betrifft auch Menschen. Und ganz ehrlich: Es tut auch gar nicht so weh.

Voll digital - Kommunizieren wir uns zu Tode?

Kolumne: Voll digital – Kommunizieren wir uns zu Tode?

Es stehen heute viel mehr Möglichkeiten bereit, Menschen mit wichtigen Informationen zu versorgen. Dass das oft nicht gelingt, hat viele Ursachen. Was das mit Kanaldenken, unklaren Kommunikationszielen und der Orientierung am Mainstream zu tun hat, lesen Sie in unserer Kolumne „Voll digital“.

Kommunizieren wir uns zu Tode?

Noch nie gab es so viel Kommunikation, doch besser informiert sind wir deswegen meist nicht. So geht es auch vielen Mitarbeitern in Unternehmen, Geschäftspartnern oder Kunden. Richtig ist: Es stehen heute viel mehr Möglichkeiten bereit, die Menschen mit den für sie wichtigen Informationen zu versorgen. Dass das oft nicht gelingt, hat viele Ursachen, über die es nachzudenken lohnt.

Am Anfang einer Reihe von Problemen steht oft das Kanaldenken: Manche Unternehmen meinen, einen Kommunikationskanal zu nutzen zu müssen, weil viele Menschen das eben auch schon tun. Zum Beispiel Facebook. Muss der Getränkemarkt um die Ecke dort wirklich aktiv sein? Wir hatten neulich einen solchen Fall: Dem Besitzer war gesagt worden, ohne Facebook-Seite funktioniere heute Kommunikation nicht mehr. Klar, mit einem guten Konzept und Liebe zur Kommunikation könnte das was werden. Aber mal im Ernst: Wenn sich der gute Mann damit quält, wird das auch nur eine Kommunikation um der Kommunikation Willen. Und wer will das abonnieren?

Oder nehmen wir WhatsApp.

Natürlich haben die meisten Menschen, die ein Smartphone besitzen, diese App installiert und die Nutzung dieses Kommunikationskanals verlangt von einem Unternehmen praktisch keine Investitionen. Doch ist ein solcher Kommunikationsweg allein wegen seiner Verbreitung und (vermeintlich) niedriger Kosten wirklich für den Unternehmenseinsatz geeignet? In vielen Fällen ja, in anderen keinesfalls.

Und nun? In der „Agentur Kommunikation Mittelstand 4.0“ raten wir Unternehmen, erst einmal zu beschreiben, welches Kommunikationsproblem behoben werden soll bzw. inwiefern die Kommunikation genau verbessert werden soll. Geht es zum Beispiel um die Zusammenarbeit der Mitarbeiter oder um besseren Kundenservice? Sind die vorhandenen Kommunikationswege einfach nur schlecht genutzt? Oder bieten neue Kanäle wirklich bessere Möglichkeiten? Wenn ja, gibt es eine Menge weiterer Fragen. Zum Beispiel: Ist es ok, wenn die Kommunikation nicht vertraulich und auf einem fremden Server gespeichert wird? Und wenn Inhalte irgendwann kaum mehr auffindbar sind?

Zeigt sich, dass ein neuer Kommunikationskanal sinnvoll genutzt werden könnte, sollte man sich erst einmal in die Kommunikationspartner versetzen: Welche Art von Kommunikation erwarten sie? Welche Inhalte? Welche Intensität? Ich zucke mittlerweile schon zusammen, wenn ich nur davon höre, dass irgendwo eine neue WhatsApp-Gruppe eröffnet wurde und hoffe, dass dieser Kelch an mir vorüber geht. Warum? Weil WhatsApp für mich ein privater Kanal für Freunde und Familie ist. Und weil Gruppen oft unglaublichen digitalen Stress verursachen. Mir ist deshalb für berufliche Kommunikation ein Messenger wie Slack viel lieber.

Die Frage ist natürlich auch, welche Anforderungen man als Unternehmen hat. Wer beispielsweise Mitarbeiter just in time besser koordinieren möchte, wird vielleicht einen Messenger dazu heranziehen wollen. Doch ein Gastronom, der sich darauf beruft, vor sechs Wochen eine Dienstanweisung an sein 30-köpfiges Team per WhatsApp verschickt zu haben, wird Schulterzucken ernten – denn seitdem wurden vermutlich wieder ein paar hundert Nachrichten in die Gruppe gepostet, und eine Suchfunktion bietet die App einfach nicht.

Um nicht missverstanden zu werden:

Ich möchte niemandem eine Ausrede bieten, die (Unternehmens-)Kommunikation nicht zu verbessern. Im Gegenteil: Wir können mit digitalen Werkzeugen Arbeit erleichtern, Menschen mitnehmen und Service verbessern. Aber damit das wirklich funktioniert, sollten wir überlegt herangehen und nicht schnell mal entscheiden, einfach einen neuen Account zu machen, wie es manche KMU für notwendig halten.

Foto: pixabay.com/josemiguels